FORUM ZUR
AUFKLÄRUNG
UND ERNEUERUNG


 

Hier der Text, auf den sich diese Antwort bezieht.

Enteignung Rolf Becker, Dresden:
Ihr "Save our Souls" vom 18. 2. 2004

Sehr geehrter Herr Rolf Becker,

Ihr Notruf, der sich auf die vor dem VG Chemnitz erfahrene Demütigung durch eine ehemalige SED-Richterin bezieht, ist längst keine Einzelerscheinung.

In Berlin haben unlängst, wie die Berliner Morgenpost vom 12.2.2004 S. 24 berichtet, die 140 ehemaligen Eigentümer oder deren Erben von DDR-/MfS-konfiszierten Grundstücken (beste Lagen am Oranke- und Obersee in Hohenschönhausen) die gleiche Erfahrung machen müssen. Die Richter am Berliner Verwaltungsgericht stützen ihre Entscheidung u. a. darauf, daß „der Kauf der Grundstücke durch die Stasi ‘keine manipulativen Züge’ trage. Allein diese Begründung zeigt, wie weit diese Richter von der DDR-Staatspraxis entfernt sind. Die Tatsache, daß die Stasi hier offensichtlich selbst als Herr des Verfahrens auftrat, ist hinreichendes Indiz für willkürliches Handeln. Ansonsten war es üblich, daß Tschekisten nach den „Geboten“
der Konspiration unter dem Deckmantel „Ministerium des Innern“, zusätzlich gesichert durch Scheinpersonen (fingierte Personaldokumente), oder über die Abteilungen/Referate Staatliches Eigentum bei den sogenannten örtlichen Räten den Zugriff auf Grundstücke vollzogen. An der Rechtsstaatswidrigkeit dieser Enteignungsakte ändert das jedoch gar nichts!

Diese Demütigungen, sehr geehrter Herr Becker, begleiten uns inzwischen über ein Jahrzehnt, mit dem 3.10.1990 läßt sich sogar das konkrete Datum benennen, und haben mit der unlängst herbeigeführten Entscheidung der Parteien der Regierungskoalition zur Ablehnung einer Ehrenpension für die Opfer politischer Verfolgung in der SBZ/DDR den wohl schmerzlichsten Höhepunkt gefunden.

Geradezu beunruhigend ist das Vorgehen der Parteistrategen in diesem Zusammenhang. Bewußt baut man in der Anwendung des demokratischen Reglements auf den „Vergeßlichkeits-/Ermüdungsfaktor“ des mündigen Bundesbürgers, inzwischen wohl deutlich unter sechs Monaten liegend, um dann im Bundestag eine demokratische Entscheidung zu herbeizuführen.
Hier kam es nur noch darauf an, daß man sich ausreichend weit vom 50sten Jahrestag des 17. Juni wegbewegte, um dann diese Grausamkeit ganz legal (!) durchzuziehen. Natürlich haben sich die Oppositionsparteien dabei in die Defensive drängen lassen, da sie nicht begriffen haben, daß die Gesetzesvorlage „Ehrenpension“ eine Chance nur in synchroner Behandluung mit dem historischen Ereignis selbst hatte.
Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen die Einladungen zum Festakt des 17. Juni angenommen hätten, wenn zuvor die Gesetzesvorlage „Ehrenpension“ im Bundestag abgelehnt worden wäre.

Mit einer Briefaktion vom 1.6.2003 haben wir uns an alle Bundestagsabgeordneten und selbstverständlich auch an den Herrn Bundeskanzler gewandt, um diese den SED-Opfern drohende Erniedrigung abzuwenden.
Mit mehr als sechzig Antworten haben wir viel Zuspruch bekommen, darunter aber auch solche, die in „Erkenntnis“ der leeren Taschen des Bundesfinanzministers deutlich die Bereitschaft zeigten, die Störung der sozialen Balance als Defizitbremse für den Bundeshaushalt einfach hinzunehmen. Diese Herrschaften wissen, daß der Verlust dieser Wählerstimmen nicht zum Zünglein an Waage wird. Und moralische Normen sind in Deutschland nicht mal mehr als Strandgut zu finden.

Wir stehen nun vor der Tatsache, daß das Thema „Ehrenpension“ mit demokratischen Mitteln erledigt (im doppelten Wortsinn) wurde. Zuwenden sollten wir uns nun allerdings der Überwindung von eklatanten Schwächen in den Rehabilitierungsgesetzen und Gesetzen zur Regulierung von Eingriffen in das Eigentum.

Dazu gehören unter anderem:

l die Übernahme der Regelung des § 9 Abs. 2 StrRehaG (Stellung ehem. DDR-Richter Staats-
anwälte in Rehabilitierungsverfahren) in das VerwRehaG (ihrer persönlichen Erfahrung kann
nur so begegnet werden),

l die Annullierung der mit dem VermRErgG vollzogenen Aufhebung des § 9 des VermG
(Anspruch auf Ersatzgrundstücke im Falle des Ausschlusses der Rückübertragung bei
redlichem Erwerb),

l das Wiederaufgreifen von Verfahren gemäß § 51 VerwVG von Amts wegen, die ohne
Angebot eines Ersatzgrundstückes abgeschlossen wurden oder mit dem Inkrafttreten des
VermRErgG ein solches Angebot nicht mehr unterbreitet bekamen

Weiterhin werden wir sehr darauf zu achten haben, daß der begehrte Zugriff auf die Stiftung für ehemalige politische Häftlinge Bonn abgewehrt wird.

Sehr geehrter Herr Becker, diesen Briefe stelle ich bekannten Verbänden zu, die dem gemeinsamen Ringen um die Anliegen der SED-Opfer nicht ausweichen werden. Zugleich werden wir dies anläßlich der UOKG-Mitgliederversammlung am 28./29.2.2004 vortragen.

Mit freundlichen Grüßen,

gez. Reinhard Dobrinski
Vorstandsvorsitzender