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Leserbrief

zu Claus-Dieter Steyer in Der Tagesspiegel vom 17.4.2008 S. 15:
Museum in der Häftlingsbaracke Sachsenhausen:
Neue Sachsenhausenausstellung wird eröffnet

Sehr geehrter Herr Steyer, sehr geehrte Damen und Herren,

seit Jahren verfolgen wir die zeitgeschichtliche Aufarbeitung des KZ (1936 – 1945) und des NKWD-Speziallagers (1945 – 1950) Sachsenhausen mit größter Aufmerksamkeit. Und immer wieder ist festzustellen, dass es für den Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Herrn Prof. Günter Morsch, ein unlösbares Problem zu sein scheint, die Geschichte der Verbrechen gegen die Menschlichkeit und an der Menschheit an diesem Ort in zeitgeschichtlicher Ganzheit darzustellen.

Unstrittig dürfte sein, dass an diesem Ort, wie an anderen Orten der SBZ (Buchenwald, Torgau, Mühlberg/Elbe, Fünfeichen...), der gelehrige Schüler Lenins (Alexander Jakowlew: Die Abgründe meines Jahrhunderts) gern auf die Infrastruktur NS-Deutschlands zur massen- haften Vernichtung menschlichen Lebens zurückgegriffen hat, wobei das GULag-System transferiert wurde. Aber genau an diesem Punkt scheiden sich seit Jahr und Tag die Geister und die Folgen sind fatal.

Wenn nach Claus-Dieter Steyer Direktor Morsch die 11. und wichtigste Ausstellung seit 1993 eröffnet mit den Worten: „Hier erhalten die Besucher jetzt einen Überblick über die Geschichte des Konzentrationslagers zwischen 1936 und 1945“, dann muß sich doch jedem, der nicht Geblendeter des heutigen Bildungssystems ist, die Frage aufzwängen: Wo und wie wurden die durch Sowjetische Militärtribunale Verurteilten und Internierten (60 000 in Sachsenhausen, davon nach dem jüngst ausgelegten Totenbuch ca. 12 000 Hungertote und Opfer von Folge-krankheiten) „beköstigt“. Es ist eine didaktische Fehlleistung, wenn Wandmalereien im Keller auch aus der Zeit des Speziallagers, zu DDR-Zeiten Abstellkammer, diese vorsätzlichen Informationsdefizite abdecken sollen.

Noch peinlicher wird die Angelegenheit, wenn es um das Massengrab jüdischer Häftlinge im Außenlager Lieberose geht. Der Figurenfund ist ein Teil der Geschichte, der andere betrifft die Exhumierung von 577 Gebeinen jüdischer Häftlinge im Mai 1971 unter Aufsicht des MfS/BVfS Cottbus und die Vereinnahmung von 1 080 Gramm Zahngold/-Prothesen durch das MfS (BVfS-Protokoll vom 17.5.1971, BStU-Pag. 95, Aktenvermerk der Abt. IX vom 29.1.1975, BStU-Pag. 222, Übergabeprotokoll der HA IX/12 vom 16.7.1975, BStU-Pag. 103).

Natürlich wussten die DDR-Untersuchungsorgane, auf den Antifaschismus noch besser ein-geschworenen als das ganze Staatsvolk, dass sie am Tatort eines Verbrechens, die Massener-schießung von ca.1 200 jüdischen Häftlingen im Februar 1945, waren. Doch an deren Ent-scheidung nach 4jährigen Ermittlungen und am gegebenen Tatbestand versucht sich manch Historiker oder Opferverband auch heute gern ( ! ) vorbeizumogeln:

„Die Generalstaatsanwaltschaft - Gen. Busse - hat in Zusammenarbeit mit der HA IX ent- schieden, das Ermittlungsverfahren gegen UNBEKANNT wegen Kriegs- und Menschlichkeitsverbrechen an Häftlingen des Konzentrationslagers Sachsenhausen, Außenlager Lieberose-Jamlitz,vorläufig einzustellen. Über den Verbleib des Zahngoldes wird noch entschieden.“ (Quelle: BStU-Pag. 222)
Anmerkung : Das Verfahren wurde nie wieder aufgegriffen.

Es ist aus unserer Sicht nicht verantwortbar, die Geschichte von Verbrechen der NS- Diktatur und des Kommunismus an identischen Orten nach dargelegtem Konzept erhellen zu wollen - die verkürzte Information steht mit der Halbwahrheit/Unwahrheit Aug in Aug.

Und jedem Journalisten ist die Last auferlegt, nicht einäugig durch die Lande zu ziehen.

Berlin, 17. 4. 2008

gez. Reinhard Dobrinski
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