Gedenkstein  

„Vergesst uns nicht“
- Vergesst uns nicht, waren die letzten Worte so manchen Häftlings, der in den Armen eines Kameraden starb, war die Botschaft aus den letzten Blicken vieler Sterbender. „Vergesst uns nicht“ das ist der Auftrag, dem wir uns verpflichtet fühlen.
 
 

Gefangene
Zeichnung: Wilhelm Sprick


 

Gisela Gneist

Der Alltag im NKWD-Lager Sachsenhausen

Gisela Gneist (2006)
Gisela Gneist vor der Verhaftung, nach der Entlassung und 2006

Die langjährige Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Lager Sachsenhausen, Gisela Gneist, hat in ihrem 2002 erschienen Buch „Allenfalls kommt man für ein halbes Jahr in ein Umschulungslager“ (ISBN 3-00-0117-0) S. 46, das tägliche Leben im Lager, das immer mehr zu einem täglichen Sterben wurde, beschrieben:

„Das Leben im Lager war keineswegs erträglich, nicht in der ersten, noch weniger in der zweiten Zone, weil dort die Gefangenen im Gegensatz zu den Nichtverurteilten rund um die Uhr in den Baracken eingeschlossen waren. Sie durften nur während des Appells die Baracken verlassen, der „Lageralltag“ vollzog sich als Barackenleben. Die Fenster dieser Baracken waren mit gelber Farbe zu gestrichen, geheizt wurde selbst in den Wintermonaten nur selten, so dass neben dem Hunger die Kälte der Feind aller Häftlinge war. Die Kleidung war bei allen mangelhaft.

Viele hatten entweder nur einen Mantel oder eine Decke. Gleichzeitig war das aber auch die Zudecke zum Schlafen auf den nackten Brettern der Holzpritschen. In den kalten Wintermonaten bildeten viele Häftlinge „Schlafgemeinschaften“. Drei Gefangene krochen zusammen unter ihre Decken. Jede Nacht durfte ein anderer in der Mitte liegen, weil er es am wärmsten hatte. Wehe dem, der aus der Gemeinschaft ausgestoßen war, denn oft bedeutete das den sicheren Tod. An Schlaf war trotzdem nicht zu denken, denn die Holzpritschen waren von zigtausenden Wanzen befallen, die des Nachts, wenn das Licht aus war, in Scharen über die Schlaf suchenden Häftlinge herfielen.
Insgesamt war das Lagerleben menschenunwürdig, die Grundbedingungen müssen sogar als inhuman bezeichnet werden: Hunger – die Ernährung war völlig unzureichend und einseitig – Kälte, Isolierung und Angst führten zur körperlichen und psychischen Auszehrung. Erkrankungen (Dystrophie, Ruhr, Ödeme Tbc) konnten bei den meisten Häftlingen nicht ausbleiben.

Von der Außenwelt abgeschnitten, ohne Betätigung, ohne Nachricht von den Angehörigen, beschleunigten Langeweile, Sorgen und Sehnsucht den Verfall der Kräfte und zerstörten die den Jugendlichen eigene körperliche Mobilität und geistige Flexibilität.
Die Unterbringung der Wittenberger Jungen in verschiedenen Baracken ließ einen gegenseitigen Gedankenaustausch mit Klassenkameraden oder anderen Wittenbergern nicht zu. Jeder war auf sich selbst angewiesen und versuchte, seine Gedanken abzulenken im Gespräch oder in theoretischen Darlegungen mit anderen Inhaftierten – Ärzten, angehenden Ingenieuren, auch Abiturienten – um der Selbstaufgabe zu entgehen, denn bei nicht wenigen führten die katastrophalen Lagerverhältnisse zu Verwahrlosung und Selbstaufgabe – nur noch das Klappern der Essenkübel (Müllkübel) ließ sie für einen Augenblick aus ihrer Lethargie erwachen.“