FORUM ZUR
AUFKLÄRUNG
UND ERNEUERUNG
 
 

Bundesministerium des Innern:
. . . sehe keine Möglichkeit, Zwangsarbeiter zu entschädigen.

Bundesministerium des Innern, 53108 Bonn
bearbeitet von Dr. Iris Gnedler

Berlin, 13. Juli 2005

Forum zur Aufklärung und Erneuerung e.V.
z. Hd. Herrn Reinhard Dobrinski
Ruschestraße 103 (Haus 1)
10365 Berlin

BETREFF Entschädigung für deutsche Zwangsarbeiter

BEZUG Ihr Schreiben vom 28. April 2005

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrter Herr Dobrinski,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 28. April 2005 an Herrn Bundeskanzler Gerhard Schröder, in dem Sie sich für eine Entschädigung deutscher Zwangsarbeiterinnen aus dem Zweiten Weltkrieg einsetzen. Es ist zuständigkeitshalber an mich mit der Bitte um Beantwortung weitergeleitet worden.

Ich sehe jedoch keine Möglichkeit, Ihnen zu helfen.

Die Bundesregierung teilt wie alle ihre Vorgängerregierungen die Auffassung des Nachkriegsgesetzgebers, wonach die Heranziehung von Deutschen oder deutschen Volkszugehörigen zur Zwangsarbeit durch Drittstaaten in der Folge des Zweiten Weltkrieges als allgemeines Kriegsfolgenschicksal zu bewerten ist und deshalb nicht zum unmittelbaren Anknüpfungspunkt innerstaatlicher Ausgleichsleistungen gemacht werden kann.

Bei der Verpflichtung zur Zwangsarbeit handelte es sich um Massenschicksale. Deutsche wurden in einer unübersehbaren Anzahl von Fällen durch Drittstaaten zu Arbeitsleistungen herangezogen - gewissermaßen als Wiedergutmachung für nationalsozialistisches Unrecht.

Für viele Betroffene bedeutete dies ein außerordentlich hartes Schicksal, das unter rechtsstaatlichen Gesichtpunkten nicht zu rechtfertigen ist.
Dies gilt ungeachtet dessen, dass das Leid der einzelnen seine Wurzeln im vorausgegangenen nationalsozialistischen Unrecht hatte. Bei der Frage nach der staatlichen Reaktion auf das erlittene Unrecht war auch der Gesichtspunkt der historischen Verantwortung zu berücksichtigen. Dieser wurde der Nachkriegsgesetzgeber durch seine Entscheidung gerecht, die für Drittstaaten geleisteten Zwangsarbeiten grundsätzlich nicht als ausgleichspflichtiges Unrecht, sondern als allgemeines, entschädigungslos hinzunehmendes Kriegsfolgenschicksal zu bewerten. Hierdurch sollte die Basis für einen Versöhnungsprozess gelegt werden.

Aus Sicht der Bundesregierung ist diese grundlegende Entscheidung zu respektieren und soll für die Zukunft ohne Relativierungen weiter Bestand haben.
Zuletzt bestätigte die Bundesregierung diese Auffassung in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Petra Pau, Dr. Evelyn Kenzler und der Fraktion der PDS zu ,Ent-schädigungszahlungen an die Verschleppten jenseits von Oder und Neiße' (Bundestagsdrucksache 14/5865) sowie auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Hartmut Koschyk, Erika Reinhardt, Georg Janovsky, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU zu ,Erkenntnissen über deutsche Zwangsarbeiter' (Bundestagsdrucksage 14/6688) sowie in den Beratungen über den Antrag der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Erwin Marschweski, weiterer Abgeordneter und der CDU/CSU zur Entschädigung deutscher Zwangsarbeiter' (Bundestagsdrucksachen 15/924 und 15/3907) und ihre Antwort auf eine schriftliche Frage des Abgeordneten Erwin Marschewski vom 14. März 2005 (Bundestagsdrucksache 15/5167).

Basierend auf der dargelegten Grundsatzentscheidung enthält das geltende Recht keine Rechtsgrundlage für Entschädigungsleistungen an deutsche Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. Dem schweren Schicksal der Betroffenen wurde jedoch dadurch Rechnung getragen, dass das allgemeine Kriegsfolgenschicksal im Rahmen der allgemeinen Sozialgesetzgebung Berücksichtigung fand. So können Betroffene im Falle erlittener Gesundheitsschäden zum Kreis der Versorgungsberechtigten nach dem Bundesversorgungsgesetz gehören. Ob die gesetzlichen Voraussetzungen im Einzelfall vorliegen, entscheidet auf Antrag das zuständige Versorgungsamt. Außerdem können im Fall von Gewahrsamszeiten ab dem 1. Januar 1947 Ansprüche aus dem Häftlingshilfegesetz bestehen.

Der Brief im Original:
Brief des BMI im Faksimile

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag
Dr. Gnedler


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