FORUM ZUR
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SED-Gold - Phantasie oder Wirklichkeit?

im Rahmen eines Forschungsthemas unseres Vereins recherchierten wir 1998/99 in verschiedensten Archiven. Aufgrund von Recherchen beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR (BStU) festgestellter Dokumente und anderer erschlossener Quellen, ist die in Voranstellung enthaltene Fragestellung zwingend geworden.

Der Begriff "SED-Gold" ist nicht eigentumsrechtlich begründet, sondern er stellt auf dubiose Besitzerlangung durch das/den MfS/AfNS/Verfassungsschutz der DDR ab, die nachweislich im Dezember 1989/Januar 1990 durch Transaktionen des DDR-Staats-/Bankapparates verwischt werden sollte. Die Herkunft des "weißen und gelben Metalls" ist forschungsseitig nach ihren Ursprüngen bisher nicht belegt, so daß ein Zusammenfließen von "Erbmassen" beider deutscher Diktaturen nach derzeitigem Stand nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Schwierigkeiten, vor der die Forschung steht, werden angesichts eines Schreibens vom 27.8.93 des BStU an den Bundesfinanzminister deutlich, als dieser unter Bezug auf die MfS-Anweisung Nr. 7/85 Ziff. 5.5. vom 20.11.85 zum Umgang mit beschlagnahmten Asservaten auf keine gesicherten Erkenntnisse der Behörde in der Sache verwies. Vorliegende Aktenfunde zeigen jedoch, daß Konfiskationen durch das MfS nicht weiterer Aufhellung entzogen werden konnten und Mosaik für Mosaik zusammenfügbar sind: Recherchierte Protokolle, Briefwechsel und Vermerke belegen: - eine durch die Militärstaatsanwaltschaft der DDR (Militärstaatsanwalt Michalak), BStU-Signatur: MfS Fin 2376, Bl. 222 (Anlage 1) am 20.12.89 verfügte Verwahrung von vier versiegelten Behältnissen mit wertintensivem Schmuck bei der Staatsbank der DDR (konkrete Angaben einschließlich Übergabe-/Übernahmequittungen fehlen).
Dazu kommt eine durch das MfS, Abt. Finanzen, gemeinsam mit dem Ministerium für Finanzen und Preise und der Staatsbank der DDR, HA I, vollzogene Verlagerung von insgesamt 112 verplombten Behältnissen mit weißem und gelbem Metall sowie Briefmarken am 21.12.89 vom MfS in die Tresore der HA I der Staatsbank der DDR, BStU- Signatur: MfS Fin 2376, Bl. 184 (Anlage 2)

Die militärstaatsanwaltliche Aktion wird von der zuständigen Strafverfolgungsbehörde den Maßnahmen im Zusammenhang mit den Koko-Strafverfahren zugeordnet. Anfragen, die an einen damaligen Militärstaatswalt und heutigen Potsdamer Rechtsanwalt gerichtet wurden, gingen ins Leere. Zur Herkunft des "wertintensiven Schmucks", insbesondere hinsichtlich einer Wechselbeziehung zwischen den MfS-Konfiskationen und dem KoKo-Antiquitätenhandel, konnten bisher schlüssige Quellen nicht erschlossen werden. Der Vorgang vom 21.12.89 ist durch besondere Auffälligkeiten geprägt. Das im Aktenbestand des BStU befindliche Übergabe-/Übernahmeprotokoll (Anlage 2) und ein im MfFP vorliegendes 4 Übergabe-/Übernahmeprotokoll sind unter dem Datum 21.12.89 jeweils von Oberstleut- nant Speck als Übergebendem und Herrn Netz von der HA I der Staatsbank als Übernehmendem unterzeichnet worden. Beide Protokolle weisen jedoch deutliche Unterscheidungsmerkmale auf:

Einerseits sind dies die hand-/maschinenschriftlichen und die ausschließlich maschinenschriftlichen Ausfertigungen der Protokolle (zudem abweichendes Schriftbild). Andererseits trägt das in der Staatsbank der DDR vorgelegte Protokoll einen Zusatz, der das MfFP als Eigentümer der Behältnisse ausweist (Unterschrift: Dr. Wilberg, Leiter der Inspektion des MfFP). Die Eigentumsverhältnisse wurden durch MfS-übliches Verhalten legendiert. Auf dem Wege von der Rusche-/Normannenstraße zu den Tresoren der Staatsbank in der Charlottenstraße in Berlin-Mitte ist der "Eigentumswechsel" vollzogen worden. Ein gemeinschaftliches Interesse, die Herkunft des "weißen und gelben Metalls" zu verbergen, muß dieses kollektive Handeln bestimmt haben, denn es ist organisierte Unordnung.
Die Überstellung des belastenden Edelmetalls und der Briefmarken an die Staatsbank der DDR und die zielgerichtete Unterwerfung unter das Bankgeheimnis scheinen dem historischen Erfahrungsgut nach 1945 zu folgen. Die absolute "Garantie" des Bankgeheimnisses durch die Staatsbank der DDR, HA I, konnte daraus hergeleitet werden, daß die SED-/MfS-Sparkassen seit ihrer Gründung im Jahre 1973/74 dort zentralverwaltet und deren Zahlungsverkehr gegenüber den zivilen Kreditinstituten "abgedeckt" wurde. Der Rechtsnachfolger, die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), Außenstelle Berlin, öffnete sich schließlich unserem Ersuchen. Auch der BStU, Herrn Gauck, und dessen Schreiben an die KfW gaben begrenzten Einblick in diese Abwicklungshandlung von vierzig Jahre SED-/MfS-Herrschaft. Ein Schreiben des Beauftragten für die Auflösung des AfNS, Möller (ehem. Leiter der Abt. Kader und Schulung des MfS, vom 28.12.89, BStU-Signatur: MfS Fin 2376, Bl. 185 (An lage 3) und ein Vermerk vom 12.1.90, MfFP, Dr. König/ Dr. Wilberg (Anlage 4), belegen, daß die seinerzeitige Finanzministerin, Frau Uta Nickel, Informationen in dieser Angelegenheit erhielt und über den Fortgang unterrichtet wurde.
Dem Vermerk vom 12.1.90 (drei Tage vor dem Sturm der Stasi-Zentrale in Berlin) ist indirekt zu entnehmen, daß sich die Beteiligten aufgrund der unüberschaubaren politischen Entwicklung selbst unter Zeitdruck gesetzt haben. Allerdings sind die Angaben aus diesen Quellen unvollständig, da Aussagen nur zum Inhalt von bis dahin geöffneten 69 Behältnissen getroffen werden. Offensichtlich ist, daß den Behältnissen keine Inventarlisten beigefügt waren, zumindestens beim Bruch der Plomben den Behältnissen nicht beilagen. Eine zeitaufwendige Aufnahme Stück für Stück war erforderlich. König/Wilberg setzen Ministerin Nickels wie folgt in Kenntnis:
"Die Erfassung ... wurde in dieser Woche... ohne Unterbrechung mit jeweils zwei Aufnahmegruppen fortgeführt" (Hervorhebung: Die Verfasser).
Auffällig hierbei, daß zwei hochrangige Kader des DDR-Finanzministeriums den treuwidrigem Handeln Vorschub leistenden Umgang mit den Wertsachen - Verplomben der Behältnisse ohne vorherige Inventarisierung - beanstandungslos hinnahmen. Die von ihnen vorgefundene Form der "Sicherung" der Wertsachen schloß zu jeder Zeit ein, daß die Inhaber der 5 Plombenzangen "282" und "4046" den Behältnissen nach belieben etwas hinzufügen oder ... bzw. die Behältnisse austauschen konnten (Blechkiste in Pappkarton oder umgekehrt).

Unsere Recherchen, die Anfragen an Frau Uta Nickel und den Potsdamer Rechtsanwalt (Antworten blieben aus) sowie an das Bundesverwaltungsamt, die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) und die Staatsanwaltschaft II in Berlin einschlossen, lassen trotz der umfangreichen Recherchen die Sache weiterhin als "Buch mit sieben Siegeln" erscheinen. Konfiskationen des DDR-Machtapparates und Wiedergutmachung nach dem VermG (VermG i.d.F. der Bkm. Vom 2.12.94, BGBl. I S. 3610) In zahlreichen gerichtlichen und verwaltungsrechtlichen Auseinandersetzungen wurden von Betroffenen nach erfolgreicher strafrechtlicher Rehabilitierung Konfinskationen, insbesondere von beweglichen Vermögensgegenständen, des DDR-Machtapparates erfolglos angefochten (siehe hierzu HELP e.V./ARE-Veröffentlichung).

Die Geltendmachung des Anspruchs auf Rückgabe- oder Entschädigung endete aufgrund der rechtlichen Gestaltung des § 10 VermG häufig mit einer zweiten Enteignung. Handeln in der Diktatur, einschließlich Erbringung des Verwertungsnachweises konfiszierten Eigentums, wird kraft Gesetzes zur Beweispflicht des Opfers erhoben. Der vorgestellte Fall zeigt jedoch, daß das Führen dieses Nachweises auf Unmöglichkeit hinausläuft.

Uns erscheint in diesem Zusammenhang der Fall des Herrn G., heute 76 Jahre alt, aus dem Land Brandenburg besonders geeignet, um Unrecht namhaft zu machen.
Am 12.12.95 wurde vom Brandenburgischen Oberlandesgericht die entschädigungslose Einziehung von Goldmünzen und Goldbarren am 15.10.74 als rechtsstaatswidrig erklärt und aufgehoben (Az.: 1 WS (Reha) 5794). Die am 10.3.94 von Herrn G. geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche wurden mit folgenden Begründungen, die das Dilemma des § 10 VermG offenbaren, abgewiesen:
"Der Antragsteller hat zwar die Vermutung der Veräußerung angedeutet und demzufolge den Antrag auf Entschädigung gestellt. Anhaltspunkte dafür hat er nicht vorgetragen, was mit den Gegenständen geschehen ist und wo sie verblieben sein können. Insofern ist eine Rückübertragung ausgeschlosssen, da diese nicht mehr herausgegeben werden können... Sofern bei der Verwertung einer beweglichen Sache kein Erlös erzielt wurde, hat der Berechtigte kein Anspruch auf Entschädigung... Dies gilt ebenso für die Fälle, in denen die Sache vom Verfügungsberechtigten (gemeint sind die DDR-Behörden - die Verfasser) vernichtet oder verarbeitet worden ist (vgl, Fieberg/Reichenbach, VermG, § 10 Rdnr. 9)... Danach steht dem Antragsteller kein Anspruch auf Entschädigung zu, denn es ist nicht mehr aufklärbar, was mit den Gegenständen geschehen ist."

Fazit: Die nach dem VermG Herrn G. auferlegte Beweispflicht ist nach dem Gebaren der DDR nicht zu führen und läuft auf unmögliches Verlangen kraft Gesetzes hinaus. Bleibt zu fragen, ob die Vorgänge vom Dezember 1989 - Januar 1990 im Archiv des Bundesfinanzministeriums belegt sind?
Neue Nachforschungsanfragen an Finanzminister Eichel zum Verbleib von 46 Säcken mit Briefmarkenalben sind im Mai 2001 nun in Vorbereitung.

Mit dem jüngsten Vermögensrechtsergänzungsgesetz (VermErG) wurde erst nach jahrelangem Ringen der Opferverbände und Aufarbeitungsinitiativen eine Lösung - wenn auch nur halbherzig - gefunden.